Warum die Frauenquote auch nur der Versuch einer hochdosierten systemischen Anwendung ist

Es wird viel diskutiert über Sinn oder Unsinn der Frauenquote bis hin zur Angst vor einer daraus resultierenden Benachteiligung für Männer. Letzteres löst bei mir akute Lachkrämpfe aus.

Meine Meinung ist klar: Ich will sie für mich nicht – die Quote.

Dennoch möchte ich drei Geschichten erzählen, die sich kürzlich in meinem direkten Umfeld zugetragen haben. Da diese Geschichten Aspekte enthalten die bisher gar nicht diskutiert werden/wurden (zumindest habe ich nichts davon mitbekommen), möchte ich sie erzählen:

1. Eine sehr gute Freundin ist Mutter von zwei Kindern. Sie arbeitet seit 20 Jahren am Stück und jetzt ist sie plötzlich arbeitslos (sie wurde gegen eine deutlich jüngere und günstigere “Generation Praktikum” ausgetauscht). Eigentlich ist es nicht so schlimm, dass sie arbeitslos ist. Sie und auch ich sind uns sicher, dass sie eigentlich bald einen neuen Job haben wird. Eigentlich? Ja, eigentlich…wäre da nicht dieses Kita-Gutscheinsystem in Hamburg. Es ist nämlich so: Da sie derzeit keinen Job hat, meint das zuständige Bezirksamt (Abteilung Kindertagesbetreuung), dass sie nun viel Zeit hat, sich um ihre Kinder zu kümmern. Deshalb hat sie vorläufig den Anspruch auf die Hortbetreuung ihrer Kinder nach der Schule verloren. In der Theorie nicht schlimm – in der Praxis verheerend. Sobald sie wieder einen Job hat, kriegt sie natürlich wieder einen Kita-Gutschein. Die Krux an der Sache ist nur: Ohne Hortplatz kriegt sie keinen Job – und auf Hortplätze wartet man in Hamburg (in kleineren Orten ist diese Situation noch viel schlimmer) mind. 2 Jahre – da hilft auch keine Quotenregelung.

2. Martina Pickhardt hat in ihrer wundervollen persönlichen Geschichte zum Thema Frauenquote unter anderem über ihre Erfahrung in der “Teppichetage” erzählt, welche ihr nicht zuletzt wegen des “Männersprechs” nur bedingt zugänglich war. Gerade kürzlich berichtet mir ein Mann – der in sehr hoher Position in einer stark männerdominierten Branche arbeitet – von einem Meeting mit einem Geschäftspartner in Hamburg. Es war total normal, dass dieser Geschäftspartner (im ersten (!) Meeting) völlig selbstverständlich erklärte, dass er später noch in den Puff gehen würde – normal halt. Auch das löste im ersten Moment einen Lachkrampf bei mir aus, weil ich das einfach nicht glauben wollte. Dann sprach ich mit weiteren Männern (wohl gemerkt in hoher Position) und siehe da: Die Reaktionen waren alle eindeutig und identisch: Ja klar, das ist normal. Da ist mir das Lachen tatsächlich vergangen.
Auch wenn ich den Schilderungen Glauben schenke, ist es für mich dennoch schwer nachvollziebar: Ist das wirklich so? Ich stelle mir ernsthaft die Frage, ob so manche Männer in Vorstandspositionen Frauen nur deshalb nicht “dabei” haben wollen, weil man sie schlecht mit in den Puff nehmen kann? Und im Puff lassen sich eben besten Geschäfte machen? Ich dachte immer der Golfplatz sei der Ort für profitable Geschäfte – aber vielleicht wurde dieser Mythos ja bewusst geschaffen? Man weiß es nicht.

3. Die letzte Geschichte betrifft mich selbst. Ich saß in großer Runde mit anderen Eltern. Es ging um die kommenden offenen Ganztagsschulen und der Tenor war eindeutig: Ja, das ist wichtig! Schließlich muss man die Kinder aus “asozialen” Verhältnissen auffangen und vor ihren Eltern schützen. Nicht einen Moment war mir nach Lachen zumute. Soll das der Grund für eine flächendeckenden Einführung von Ganztagsschulen sein? Ich befürchte ja! Persönlich hielt ich diesen Aspekt immer für einen positiven Nebeneffekt, der einigen Kindern bestimmt gut tut. Ich hätte mein Kind gerne auf eine Ganztagsschule geschickt. Warum? Weil ich arbeite und mein Kind mehr Zeit zum Lernen hat. Leider gibt es bei mir in der Nähe keine. Was mir hier passierte, ist mir keineswegs neu. Bereits an der Uni habe ich diesbezüglich Grenzerfahrungen gemacht. “Deine Tochter geht in die Krippe? Und das bis zu 8 Stunden?” Auf meine (in meinen Augen selbstverständliche) Bejahung erntete ich häufig hochgezogene Augenbrauen und ich spürte, dass man mich eindeutig für eine “Rabenmutter” hielt. Später im Job erhielt ich (von einigen KollegInnen) statt Anerkennung für erfolgreiche Projekte,  den Stempel der “Karriergeilen Mutter” (sollte heißen, ich mache meine Karriere auf Kosten meines Kindes). Ich habe mich davon nicht irritieren lassen, zumal ich weiß, dass mein Kind glücklich aufwächst. Hier muss ich anmerken, dass ich mich nicht auf das bestehende System verlasse, sondern über ein ausgezeichnetes Familien- und Freundesnetzwerk verfüge. Trotzdem, spurlos gehen derartige Kommentare auch an mir nicht vorbei.

Um was muss es also gehen, damit viel mehr Unternehmen endlich begreifen, das Geschlechtervielfalt nur von Vorteil ist? Die McKinsey Studie “Women Matter” hat deutlich belegt, dass Unternehmen mit gemischter Führung um bis zu 56 % bessere Geschäftsergebnisse vorweisen können. Wo liegt denn eigentlich das Problem?

Und auch dieses Mal kommt man an einem Wertediskurs nicht vorbei. In meinen Augen wird es definitiv nicht die Einführung einer Frauenquote sein, die es Frauen leichter macht, ihren Karrieren nachzugehen, sondern die Schaffung von gesellschaftlichen, kulturellen und arbeitstauglichen Rahmenbedingungen.

Alles andere bleibt nur der Versuch einer Bekämpfung von Symptomen, ohne dabei auf die wirklichen Ursachen einzugehen. Das funktioniert schon in der Medizin nur bedingt und wird in meinen Augen niemals der erfolgreiche Motor für einen kulturellen Wertewandel sein.

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3 Antworten auf Warum die Frauenquote auch nur der Versuch einer hochdosierten systemischen Anwendung ist

  1. Angelika sagt:

    > Und auch dieses Mal kommt man an einem Wertediskurs nicht vorbei. In meinen Augen wird es definitiv nicht die Einführung einer Frauenquote sein, die es Frauen leichter macht, ihren Karrieren nachzugehen, sondern die Schaffung von gesellschaftlichen, kulturellen und arbeitstauglichen Rahmenbedingungen. <

    auch/hier kann ich nicht anders als d'accord mit Ihnen sein !
    leider findet IMO/mMn genau "dieser diskurs" ja nach wie vor ./. im Dld. des 21. Jhds. nicht statt. was muss geschehen ? frage ich mich.

  2. Sylvia sagt:

    Danke für die Beispiele aus der Praxis! Ist wirklich erschreckend, welche Wellen eine solche Angelegenheit schlagen kann!

    Das mit dem Puff habe ich allerdings noch nie gehört. Allerdings scheint es so abwegig ja gar nicht zu sein (Stichwort: Ergo)

    Position 3 ist eindeutig ein Art Generationskonflikt! Im Westen von Deutschland war es schon “immer” und dadurch länger normal als Frau zu Hause zu sein. Im Osten ist dem eher nicht so. Da hat sich jeder daran “gewöhnt”. Und auch objektiv betrachtet, ist das doch schön für die Kinder. Die meisten wollen ja gerne mich gleichaltrigen spielen. Ich erkenne da nichts verwerfliches!

    Danke für deine interessanten Geschichten!

  3. emily-patrice sagt:

    vielleicht ist es eine form der biodiversität, wenn sowohl das eine, die frauenquote, wie viele andere massnahmen noch mit ins boot der vordergründigen gleichstellung genommen werden? frau kommt jedoch nicht oder nur noch knapp daran vorbei sich politisch korrekt verhalten zu können. keinem etwas wegnehmen? niemanden vor den kopf stossen und eigenmächtig handeln. wen oder was gilt es zu vergraulen?
    ja es gibt mittlerweile ein paar wesen männlichen geschlechts, die begreifen und begriffen haben, dass teilen von arbeitszeit, von familienzeit nicht nur pflicht zu sein hat, dass es mehrwert, ausgewogenheit schaffen und neue vaterhorizonte eröffnen kann.
    vielleicht ist es ganz gut, wie es in frankreich seit längerem – so mehrere hundert jahren nämlich – vor allem die frauen der oberschicht praktizieren, die ehe recht pragmatisch als eine eindeutige form von vertrag betrachtend und dementsprechend lebend.
    für mich als ältere frau ist es immer wieder erstaunlich, wie schwer jüngere sich tun mit der bezugnahme auf ihre artgenossinnen – vor allem mit den vorihnendagewesenen, die so vieles vor-, angedacht, geschrieben und vorgelebt haben. die kämpfersiche unbeschwertheit scheint irgendwo abhanden gekommen zu sein. weder sich, noch’ihren’ männern, trauen sie es zu, stark zu sein, frau zu sein in der ganzen pracht und einzufordern, was ihnen fast unbemerkt abhanden gekommen, usurpiert worden ist.
    lesenswert in diesem sinne sind unter vielen anderen, sarah blaffer-hrdy, elisabeth badinter, frigga haug und last but not least virginia woolf.
    “was ihr ererbt von euren vor+müttern/frauen, erwirbt es um es zu besitzen”. dies ist ein aktiver prozess der aneignung und keine von uns kommt darum herum, um stark, lebensfähig, eigenmächtig und autark zu werden, sich umzuwenden, zu erkennen und an zu erkennen, dass die legitimierung unseres so dasein, in unserem fall als weibliches wesen – was immer dies an facettenreichtum und verschiedenheit beinhaltet – das diese legitimierung also nur eine durch ihresgleichen erworben werden kann. das hiesse dann aufzuhören im spiel des divide et impera mitzuspielen. keine, aber keine – mag sie noch so lonsome women sein – steht für sich im luftleeren raum.
    emily-patrice im januar 2013

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